Journalismus geht’s an den Kragen

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ANALYSE. Während Freiheitliche drohen, bekräftigt Verfassungsministerin Edtstadler mit entscheidenden Auslassungen ihr Ziel, ein Zitierverbot einzuführen.

Die Fragestellung war sehr einfach: „Wo gehört die Pressefreiheit gestärkt?“, wollte das „profil“ in einem Interview von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) wissen. Sie antwortete jedoch so ausschweifend-ausweichend, dass man zum Schluss kommen kann, dass sie keinen Bedarf dafür sieht. Zitat: „Die Pressefreiheit muss in einem demokratischen Staat hoch gehängt werden. Ich sage auch immer: Es gibt keine zu kritische oder zu böse Frage, die nicht gestellt werden sollte. Die Morde an Journalisten in Europa, etwa in Malta, zeigen, dass die Zeiten für journalistisches Arbeiten gefährlicher geworden sind – es zeigt aber auch die Notwendigkeit von investigativem Journalismus. Das ist keine Frage. Aber es ist nicht investigativ, wenn gesamte Beschuldigtenprotokolle online gestellt werden. Es gibt in den Fällen nämlich schon eine Staatsanwaltschaft, die investigiert. Insofern: Die Balance muss gewahrt werden, ich will beide Seiten aufzeigen.“

Im Grunde genommen will Edtstadler die Pressefreiheit also nicht nur nicht stärken, sondern einschränken. Sie bekräftigt ihr Ziel, ein Zitierverbot aus Akten einzuführen. Zu Causen betreffend Sebastian Kurz, also Edtstadlers Parteifreund, hätte die Öffentlichkeit unter diesen Umständen bisher um so viel weniger erfahren, dass er womöglich nicht gezwungen gewesen wäre, zurückzutreten. Wobei man betonen muss: Zurücktreten musste er aus politischen Gründen. Strafrechtlich dürfte vieles belanglos bleiben. Etwa seine Aufforderung an Thomas Schmid, einem Kirchenvertreter „bitte Vollgas“ zu geben. Politisch aber ist genau das nicht zuletzt für ÖVP-Landeshauptleute unerträglich gewesen.

Pressefreiheit gerät aus vielen Gründen unter Druck, die Perspektiven sind übel. Zeitungen kämpfen ums Überleben. Das ist keine gute Voraussetzung für selbstbewussten Journalismus. Freiheitliche, die gute Chancen haben, nach der kommenden Nationalratswahl eine führende Rolle zu übernehmen, drohen wiederum: Parteichef Herbert Kickl will den ORF zu einem „Grundfunk“ zusammenstutzen. Sein Parteikollege, der oö. LH-Stellvertreter Manfred Haimbuchner, meint, Kickl werde überhaupt „einigen das Benehmen lernen“: „vom Journalisten bis zum Islamisten“. Ein Pressesprecher der Partei hat den Kabarettisten und Kolumnisten Florian Scheuba bereits wissen lassen, dass er bald nur noch beim AMS auftreten werde. Auch das ist eine Art Vollgas geben. Nur, dass es in der FPÖ niemanden stört. Im Gegenteil, es ist Parteilinie.

Zurück zu Edtstadler: Im „profil“-Interview spricht sie sich für ein Zitierverbot nach deutschem Vorbild aus. Laut dortigem Verfassungsgericht sei das grundrechtskonform. Leider bleibt das so stehen. Leider, weil es laut dem Rechtswissenschaftler Nikolaus Forgó nicht korrekt ist. Forgó verweist auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom heurigen Mai, in der es wörtlich heißt: „Mit dem Inhalt, der der Norm nach dem Wortlaut und dem bisherigen Verständnis zukommt, kann die Bestimmung damit im Einzelfall in Konflikt mit Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK geraten.“ Also mit der „Freiheit der Meinungsäußerung“ (Art. 10 EMRK) und dem deutschen Grundgesetz zur „Pressefreiheit“ – inkl. Hinweis, dass eine Zensur nicht stattzufinden habe.

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