Griss läuft die Zeit davon

ANALYSE. Mit einer eignen Liste bei der Nationalratswahl wird’s wohl nichts mehr. Die ehemalige Präsidentschaftskandidatin kann nur noch Anschluss bei ÖVP oder NEOS suchen. 

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ANALYSE. Mit einer eignen Liste bei der Nationalratswahl wird’s wohl nichts mehr. Die ehemalige Präsidentschaftskandidatin kann nur noch Anschluss bei ÖVP oder NEOS suchen.

Um Irmgard Griss ist es ruhig geworden. Und das liegt nicht nur daran, dass sie vor wenigen Tagen, am 13. Oktober, einen runden Geburtstag gefeiert hat; den 70. nämlich. Sie selbst kommt vielmehr nicht auf Touren: Von einem sensationellen Ergebnis bei der Bundespräsidenten-Wahl im April bestärkt, machte sie sich noch im Frühjahr an die Gründung einer „zivilgesellschaftlichen Initiative“. Wobei der Name des Trägervereins, „IG Mut und Verantwortung“, nicht viel mehr über die Ziele zum Ausdruck brachte. Geschweige denn, dass es irgendwelche Aktivitäten getan hätten; es gab keine wahrnehmbaren.

Dass es sich um eine Trägerrakete für eine Kandidatur bei der nächsten Nationalratswahl handeln sollte, durfte immerhin aber erwartet werden: „Was sich daraus ergibt, wird man sehen“, ließ Griss selbst schließlich alles offen.

Vor allem aber hat sich Griss selbst geschadet: Sie hat ihre Anhängerschaft irritiert.

Mittlerweile ist eine eigene Liste jedoch unrealistisch geworden. Zu groß ist der Aufwand, der damit verbunden ist, als dass er sich noch bewältigen ließe; vor allem, weil man davon ausgehen muss, dass möglicherweise schon im kommenden Frühjahr gewählt wird. Das ist zu wenig Zeit, um Geld zu sammeln, eine flächendeckende Organisation zu entwickeln, brauchbare Leute zu finden, die eine Kampagne mittragen würden und nicht zuletzt bereit wären, ein Mandat zu übernehmen; und so weiter und so fort.

Vor allem aber hat sich Griss selbst geschadet: Sie hat ihre Anhängerschaft irritiert. Etwa, indem sie sich von ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka vorübergehend dafür umwerben ließ, sich für das Amt der Rechnungshofpräsidentin zur Verfügung zu stellen. Nach einigen Tagen sagte sie ab – es gebe geeignetere Persönlichkeiten dafür und sie selbst habe im Übrigen auch private Gründe dafür, erklärte sie. Womit mehrere Botschaften verbrunden waren: Erstens, eine gewisse Nähe zur Volkspartei; und zweitens, ganz offensichtlich nicht die Bereitschaft oder die Möglichkeit, sich voll in den Dienst einer Sache zu stellen. Beides würde eine eigene Liste bei Nationalratswahlen unglaubwürdig machen.

Die NEOS würde ihre Unterstützung wohl im Hohen Haus halten, die ÖVP vielleicht vor einem Totalabsturz bewahren. 

Also wird Irmgard Griss, sofern sie denn überhaupt noch will, nichts anderes übrig bleiben, als sich einer Partei anzuschließen; und sei es nur als Mitglied eines Schattenkabinetts. Umworben wird sie ja immerhin. Bei der Bundespräsidenten-Wahl hatte sie 18,9 Prozent bzw. 810.000 Stimmen geholt. Das ist nicht nichts. Naiv wäre es allerdings, zu glauben, dass sie bei einer Nationalratswahl viel mehr als ein Viertel davon einbringen könnte. Wobei natürlich auch das nicht nichts ist: Die NEOS würde es wohl im Hohen Haus halten, die ÖVP vielleicht vor einem Totalabsturz bewahren.

Dass die Wirkungskraft Griss’ bei Nationalratswahlen begrenzt wäre, hat viele Gründe: Nicht sie stünde im Mittelpunkt, sondern die Kanzlerfrage. Sebastian Kurz (ÖVP) und Christian Kern (SPÖ) wären im Übrigen andere Kaliber als es Rudolf Hundstorfer (SPÖ) und Andreas Khol (ÖVP) bei der Bundespräsidentenwahl waren. Vor allem aber hat Griss eine zu bunte Anhängerschaft. Im April wurde sie laut SORA von 208.000 (Ex-)ÖVP-Wählern unterstützt sowie von jeweils 110.000 bis 120.000 SPÖ-, Grünen- und NEOS-Wählern. Würde sie nun für eine dieser Partei antreten, müsste sie also damit rechnen, einen guten Teil davon zu verlieren.

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