Wo Kern recht hat und Mitterlehner irrt

ANALYSE. Man kann’s mit dem Sparen auch übertreiben – und damit größeren Schaden anrichten. 

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ANALYSE. Man kann’s mit dem Sparen auch übertreiben – und damit größeren Schaden anrichten.

Kann man zu viel sparen? Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) meint in einem Beitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ ja, was Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) wiederum als „alt-linken Irrglauben“ abtut. Ganz so einfach ist die Antwort allerdings nicht, wie eine spannende Analyse des liberalen „Economist“ zeigt.

Sicher, Kern stellt die gesellschaftlichen Folgen der Sparpolitik in den Vordergrund: Es sei großer Schaden entstanden, „denn viele Menschen in Europa haben nachhaltig unter dieser Politik gelitten, ebenso wie ihre Glaube an die Wohlstandsversprechungen der europäischen Einigung“. Und Mitterlehner zieht sich auf die bekannte Erwiderung seiner Partei zurück, wonach „Staatsgelder auf Pump nicht automatisch alle Probleme lösen“.

So allgemein, wie das formuliert ist, kann man es so stehen lassen und sich einer Analyse des „Economist“ zuwenden, die Anfang September in der Kolumne „Free exchange“ erschienen ist. Titel: Mehr ausgeben, weniger sparen. Untertitel: Die deutschen Budgetüberschüsse seien schlecht für die globale Wirtschaft.

Das Nachbarland schreibt seit Jahren schwarze Zahlen, was so weit geht, dass es bereits ein Luxusproblem hat: „Zu viel in der Kasse – was tun?“ Allein in den ersten sechs Monaten sind heuer quasi 18,5 Milliarden Euro übriggeblieben.

Zumal Deutschland nicht autark ist, sondern, ganz im Gegenteil, europäischer Wirtschaftsmotor schlechthin ist, hat das Folgen auch für andere Länder. Der „Economist“ bringt das so auf den Punkt: „Deutschlands enorme Überschüsse bedeuten, dass seine Haushalte weniger kaufen in anderen Ländern.“

Untermauert werde das Problem, das damit verbunden ist, durch eine Studie des Internationalen Währungsfonds aus dem Jahr 2011: Eine Budgetkonsolidierung um einen Prozentpunkt gemessen am Bruttoinlandsprodukt verschiebt die Leistungsbilanz um 0,6 Prozentpunkte; und zwar in Richtung Überschuss – was bedeutet, dass (viel) mehr exportiert wird, als aus dem Ausland importiert wird.

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