Wien bleibt rot, aber

ANALYSE. FPÖ-Chef Strache hat sich aus dem Rennen um das Bürgermeister-Amt genommen. Für die SPÖ ist das nicht nur gut: Sie verliert einen wichtigen Gegner bzw. Mobilisierungsfaktor. 

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ANALYSE. FPÖ-Chef Strache hat sich aus dem Rennen um das Bürgermeister-Amt genommen. Für die SPÖ ist das nicht nur gut: Sie verliert einen wichtigen Gegner bzw. Mobilisierungsfaktor.

Wiens Sozialdemokraten darf’s zunächst freuen: FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat über die „Kronen Zeitung“ kundgetan, dass es nicht mehr sein Ziel ist, Bürgermeister der Bundeshauptstadt zu werden: „Ich habe bei der letzten Nationalratswahl die FPÖ zu einem historischen Erfolg führen können. Da habe ich jetzt auch eine Verantwortung gegenüber der Bevölkerung. Dieser Verantwortung komme ich nach“, so Strache. Daher werde er bei der Wien-Wahl 2020 nicht kandidieren.

Praktisch bedeutet das ebendies: Die FPÖ verabschiedet sich vom Führungsanspruch über die Millionenstadt. Einen solchen könnte aus heutiger Sicht nur Strache geltend machen. Bei der letzten Gemeinderatswahl wäre er laut SORA-Befragung bei einer Bürgermeister-Direktwahl auf 29 Prozent gekommen. Das muss ein Freiheitlicher erst einmal zusammenbringen. Johann Gudenus, Dominik Nepp, Maximilian Kraus und all die anderen, die in der zweiten oder dritten Reihe ziemlich weit hinter Strache stehen, sind wohl zu weit entfernt davon.

Dass gegen die SPÖ Blau-Türkis oder gar Türkis-Blau zustande kommt, ist eher unwahrscheinlich.

Unter diesen Umständen kann die SPÖ davon ausgehen, die Führung über die Stadt zu behalten. Platz eins ist ihr kaum zu nehmen, und dass gegen sie Blau-Türkis oder gar Türkis-Blau zustande kommt, ist eher unwahrscheinlich. ÖVP und FPÖ könnten das schwer mit dem Wählerwillen argumentieren und das würde Strache, aber auch Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) letzten Endes mehr schaden als nützen: Man könnte ihnen unterstellen, die gesamte Republik umfärben zu wollen. Und zwar um jeden Preis. Das würde fast schon wieder bedrohlich, um nicht zu sagen gefährlich wirken.

Außer „FPÖ-Bürgermeister verhindern“ war 2015 nichts bei der SPÖ.

Für die SPÖ ist der Strache-Verzicht aber nicht nur lustig. Im Gegenteil: Bei den letzten Wahlen hat sie gerade davon profitiert, dass sie sagen konnte, es gehe darum, einen blauen Bürgermeister zu verhindern. Sonst war da nicht viel. 2015 wäre sie ohne diesen Mobilisierungsfaktor, der nun wegfällt, kaum noch auf gut 40 Prozent gekommen, sondern sehr wahrscheinlich auf viel weniger.

Eher toll sind diese Gesamtumstände für die Kleinen: Grüne müssen nicht mehr befürchten, einmal mehr tausende Anhänger, denen „Strache verhindern“ über alles geht, an die Roten zu verlieren. Möglicherweise werden sie zwar zugunsten der ÖVP aus der Stadtregierung fliegen, die Rahmenbedingungen für die Wahlen haben sich aber deutlich verbessert für sie. Auch für die NEOS ist all das günstig: Sie hatten sich mit ihrer Ansage, allein einen SPÖ-Bürgermeister verhindern zu wollen, ein Problem eingehandelt. Damit hätten sie indirekt zu den großen Strache-Helfern werden können. Zumindest Mitte-Links-Wähler hätten sie so vergessen können. Doch damit ist es jetzt vorbei.

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