Wie rechts ist die Sozialdemokratie?

ANALYSE. Für die designierte SPÖ-Chefin ist es gar nicht so einfach, Opposition gegen Schwarz-Blau zu machen. 

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ANALYSE. Für die designierte SPÖ-Chefin ist es gar nicht so einfach, Opposition gegen Schwarz-Blau zu machen.

„Blau ist das neue Rot“, schreibt die neue „Kurier“-Chefredakteurin Martina Salomon in einem Leitartikel und begründet das unter anderem damit, dass die Freiheitlichen die Pensionspolitik der Sozialdemokraten fortsetzen. „Was bleibt diesen da noch übrig?“, könnte man jetzt einwenden. Das wäre jedoch überstürzt. Genau genommen ist es noch viel schlimmer für sie: Nicht nur Blau, sondern auch Schwarz bzw. Türkis ist seit geraumer Zeit nicht mehr bereit, auch nur irgendeinen erkennbaren Beitrag zur längerfristigen Sicherung der Altersversorgung zu leisten. Und weil Blau und Schwarz bekanntlich eine Regierung bilden, fällt Rot unter diesen Umständen eine ganz, ganz wichtige Möglichkeit weg, Opposition zu betreiben; eine Mobilisierung gegen Pensionsreformen, wie unter Schwarz-Blau 1 Anfang der 2000er Jahre, fällt weg.

Wogegen lässt sich unter dem Schlagwort „soziale Kälte“ trommeln? Kurz und Strache sind vorsichtig geworden. 

So gesehen muss die designierte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hoffen, dass Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vize Heinz-Christian Strache (FPÖ) in irgendeinem anderen Zusammenhang irgendetwas unternehmen, wogegen sich unter dem Stichwort „soziale Kälte“ trommeln lässt. Allein: Kurz und Strache sind vorsichtig geworden. Mit der Abschaffung der Notstandshilfe haben sie es plötzlich nicht mehr so eilig. Eine solche könnte auch viele Österreicher sehr hart treffen; und darunter wiederum nicht wenige FPÖ- und ÖVP-Wähler, die Flüchtlinge und Migranten für ihre Misere verantwortlich machen und die daher vor einem Jahr blau oder schwarz gewählt habe.

Was also soll Rendi-Wagner tun? So lange Flüchtlinge und Migration ganz oben auf der politischen wie massenmedialen Agenda stehen, sind ihr die Hände wohl gebunden. Ein anderes Thema aufziehen, kann sie; ob sie damit durchkommen kann, ist jedoch fraglich.

Die Kronen Zeitung unterstützt den Kurz-Strache-Kurs. Und mit ihr will es sich Ludwig schon gar nicht verscherzen. 

Bei Flüchtlingen und Migration selbst ist ihr Handlungsspielraum bescheiden: Zumindest die Wiener Genossen um Michael Ludwig und die Burgenländer um Hans Peter Doskozil zeigen null Ansätze, sich in diesem Zusammenhang gegen Schwarz-Blau zu stellen. Wahrscheinliche Motive: Erstens, nicht wenige der (potenziellen) Wähler, die von ihnen gepflegt werden, finden okay, was Kurz und Strache machen. Und zweitens, die reichweitenstarke „Kronen Zeitung“, mit der es sich Ludwig im Hinblick auf die Gemeinderatswahl 2020 schon gar nicht verscherzen möchte, unterstützt den Kurz-Strache-Kurz geradezu euphorisch. Da zieht es Ludwig vor, sich zurückzuhalten.

Nicht minder ist der Faktor Gewerkschafter für Rendi-Wagner: Diese Genossen sind noch nie besonders zuwanderungsfreundlich gewesen. Im Gegenteil, vor allem sie haben durchgesetzt, dass z.B. Arbeitnehmerfreizügigkeiten nach der EU-Erweiterung 2004 bis zum letztmöglichen Zeitpunkt begrenzt wurden. Wichtiger als Wettbewerb ist ihnen der Schutz vorhandener Jobs. In diesem Sinne haben sie auch ein Problem mit der Entsenderichtlinie.

Sozialdemokratische Gewerkschafter stehen überhaupt unter Druck: Die Wahltagsbefragung von GfK-Austria zur Nationalratswahl 2017 weist darauf hin, dass es auch unter Gewerkschaftsmitgliedern einen Rechtsruck gegeben haben dürfte. Zwar haben noch 44 Prozent die SPÖ gewählt, auf Platz zwei folgt aber nicht die vor allem unter Beamten starke ÖVP (21 Prozent), sondern die FPÖ mit 25 Prozent; das ergibt in den Reihen der Gewerkschafter sogar eine schwarz-blaue Mehrheit von 46 Prozent gegenüber der SPÖ mit eben 44 Prozent.

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