Wer braucht heute noch eine Bank?

GASTKOMMENTAR VON JOHANNES HUBER. Die Bank Austria agiert dieser Tage tollpatschig bis verantwortungslos. Zurückführen kann man das nur auf Panik – ausgelöst durch die Digitalisierung der Branche, die wir alle nützen. 

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GASTKOMMENTAR VON JOHANNES HUBER. Die Bank Austria agiert dieser Tage tollpatschig bis verantwortungslos. Zurückführen kann man das nur auf Panik – ausgelöst durch die Digitalisierung der Branche, die wir alle nützen.

Es soll kein Bankenvertreter mehr leichtfertig über „die Politiker“ schimpfen, die angeblich nichts zusammenbringen und die Leute nur verunsichern. Was die UniCredit mit ihrer rot-weiß-roten Tochter Bank Austria derzeit aufführt, übertrifft die meisten Negativbeispiele, die man bei eingehender Google-Recherche ausgraben kann: Schon seit Wochen lässt sie Gerüchte zu, sie werde das „Privatkunden-Geschäft“ abstoßen. Dann, am Tag der vermeintlichen Wahrheit, verschärft sie die Ungewissheit auch noch, indem sie lediglich wissen lässt, dass nun alles möglich sei: „Geduld“, fleht BA-Chef Willibald Cernko in einem offenen Brief die Kunden an, bis Dezember werde man wissen, wie’s weitergeht. Na dann, nur keine Eile!?

Diese Vorgangsweise ist umso bemerkenswerter, als Cernko und seine Kollegen in der Mailänder Zentrale natürlich sehr genau wissen, wie sensibel das Geldgeschäft ist: Stehen Vertrauen, Berechenbarkeit, Diskretion und Sicherheit nicht zu 100,0 Prozent außer Streit, werden die Leute nervös. Und fangen unter Umständen sogar an, ihre Konten zu räumen, um die Ersparnisse allenfalls unter der Matratze zu horten.

Immer mehr Menschen erledigen ihre Geldgeschäfte online (wie sie es vom Internet-Shopping ohnehin schon gewohnt sind), „ihren“ Berater kennen sie nicht mehr persönlich.

Das hat die Bank Austria nicht notwendig. Sie verfügt nach wie vor über höchste Bonitätswerte. Also muss man sich fragen, was die Herrschaften zu dieser tollpatschigen Vorgangsweise motiviert hat? Gut möglich, dass es eine Form von Panik ist, die allmählich die ganze Branche erfasst: Immer mehr Menschen erledigen ihre Geldgeschäfte online (wie sie es vom Internet-Shopping ohnehin schon gewohnt sind) und kennen ihren „Berater“ nicht einmal mehr persönlich. Und selbst wenn sie es tun, wissen sie nicht, was sie mit ihm anfangen sollen: Die besten Konditionen für einen Kredit oder eine Pensionsvorsorge erfahren sie längst im Netz und richten sich logischerweise danach. Da ist der gute, alte „Schalterbeamte“ überflüssig geworden, zumal er zu allem Überdruss nicht rund um die Uhr, sondern nur von Montag bis Freitag, jeweils von Acht bis Zwölf und von Zwei bis Vier verfügbar ist. Also ausgerechnet dann nicht, wenn man ihn vielleicht doch einmal brauchen würde.

Seit 2005 haben in Wien 100 Bankfilialen zugemacht. 544 gibt es derzeit, aber es werden wöchentlich weniger. Insider gehen davon aus, dass es in absehbarer Zeit noch mehr Schließungen geben wird, weil die Digitalisierung nicht aufhört, sondern immer weiter geht. Und wenn es heute schon egal ist, wo „meine“ Filiale ist, dann brauche „ich“ morgen auch die ganze Bank nicht mehr. Dann werde ich jedes Geschäft ganz einfach dort abwickeln, wo ich die höchsten Zinsen bekomme, die benutzerfreundlichste App vorfinde oder die niedrigsten Gebühren zahle.

> Dieser Beitrag ist zunächst auf VIENNA.AT erschienen.

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