Was Medien knebelt

ANALYSE. Zehn Reformvorschläge zur Enquete der Bundesregierung, die nicht einmal viel Geld kosten würden – wenn überhaupt.

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ANALYSE. Zehn Reformvorschläge zur Enquete der Bundesregierung, die nicht einmal viel Geld kosten würden – wenn überhaupt.

Die Bundesregierung lädt zu einer Medienenquete und auch wenn es möglicherweise mehr um Inszenierung als um Inhalte geht, bereiten sich Betroffene ernsthaft vor: Der ORF schaltet Imageinserate und lässt den eigenen Chef und Hausherr, Alexander Wrabetz, in einer eigenen Sendung („Frühstück bei mir“) sehr freundlich zu Gast sein. Corinna Milborn und Markus Breitenecker von Puls 4 steuern ein eigenes Buch zur Debatte bei. Der Kurier präsentiert die Vorstellungen von Thomas Kralinger, Verlegerpräsident und auch Geschäftsführer der Zeitung. Und so weiter und so fort.

Für die Politik ist das traumhaft: Sie kann Player gegeneinander ausspielen.

Summa summarum geht es vor allem darum: Mehr Presseförderung (Verlegerwunsch), weniger ORF (Mitbewerberwunsch) und irgendeine Antwort auf Twitter und Facebook (Allgemeinwunsch). Für die Politik ist das traumhaft: Sie kann Player gegeneinander ausspielen und sich allenfalls auch gefügiger machen. Was will sie mehr? Sie könnte sich auch ein bisschen bemühen und jene Dinge stärken, die im Vordergrund stehen sollten: Pressefreiheit, Medienvielfalt, Qualitätsförderung, fairer Wettbewerb. Zumal dazu nicht einmal sooo viel nötig wäre.

Eine Liste ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

Erstens. Die österreichische Presseförderung ist wie berichtet ein Witz. Es wäre allerdings schon viel erreicht, würde die unsägliche Form von Korruption, die über öffentliche Inserate daneben praktiziert wird, eingestellt werden. Zur Erinnerung: 2017 stand einer Presseförderung von 8,9 Millionen Euro ein Inseratenvolumen von 177,3 Millionen Euro gegenüber. Erstere beruht auf einer gesetzlichen Grundlage, letzteres auf Willkür, die ein Vielfaches an Abhängigkeit mit sich bringt als die vergleichsweise läppische Presseförderung – und die einer kritischen Berichterstattung naturgemäß widerspricht.

Zweitens. Pressefreiheit ist das eine. Das Amtsgeheimnis das andere. Es gehört endlich durch eine Informationspflicht für öffentliche Einrichtungen ersetzt. Zugang zu Fakten kann nicht länger ein Gnadenakt sein. Darauf muss es einen Rechtsanspruch geben.

Drittens. „Message Control“ steht in einem Spannungsverhältnis zum Interesse der Wählerinnen und Wähler, ungeschönt zu erfahren, was wirklich ist. Und zwar in Wort und Bild. Selbstbeschränkung der Regierungsspitze wäre in diesem Zusammenhang schon etwas; man muss z.B. vom Putin-Besuch keine offiziellen Fotos verbreiten, die den Gastgeber in einer besonders aktiven und den Gast aus Moskau in einer ziemlich passiven Rolle zeigen. (Zumal das peinlich ist, wird damit doch der Eindruck erweckt, einem der mächtigsten Männer der Welt werde mitgeteilt, wo’s langgeht.)

Viertens. Man kann Medien das Wirtschaften erleichtern. Und zum Beispiel die Werbeabgabe abschaffen. Oder man könnte ein Steuermodell kreieren, wie es Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) für die Bauern durchsetzen möchte: „Gewinnglättung“, lautet das Zauberwort: Zum Ausgleich zwischen besseren und schlechteren Zeiten erfolgt die Besteuerung aufgrund der durchschnittlichen Erträge von mehreren Jahren.

Fünftens. Die ORF-Aufsicht muss Entparteipolitisiert werden. Dem Fraktionsunwesen im Stiftungsrat, das Folgen hat bis hin zu Postenbesetzungen in den Redaktionen, ist ein Ende zu setzen.

Sechtens. Der ORF muss sich stärker auf den öffentlich-rechtlichen Auftrag konzentrieren, soll diesen aber auf allen Kanälen ausspielen können. Das zu definieren, ist zugegebenermaßen wohl eine der größten (offenen) Herausforderungen.

Siebtens. Abgesehen davon muss, wie die Politik, aber auch der zu einem wesentlichen Teil gebührenfinanzierte ORF mit seiner Werbewirtschaft aufhören: Dass die Transparenzdatenbank 2017 allein für den „Österreichischen Rundfunk“ ein Inseratenvolumen von knapp acht Millionen Euro ausweist, was beinahe der gesamten Presseförderung entspricht, ist ein Unding; zumal auch hier nur eher ausgewählte Medien profitieren.

Achtens. Zur Förderung journalistischer Arbeit gibt es viele Möglichkeiten. Beispiel Schweiz: Neben dem Berner Bundeshaus steht ein öffentliches Pressezentrum mit Arbeitsplätzen und Studios für alle akkreditierten Medien.

Neuntens. Medienkultur ist auch abhängig vom Publikum. Schon an den Schulen ist daher mehr Wert auf einen verantwortungsbewussten, kritischen Umgang mit allen relevanten Medien zu legen.

Zehntens. Eine Alternative zu Twitter und Facebook auf die grüne Wiese zu setzen, ist schwer bis unmöglich. Würde es gelingen, wäre es ein Wunder. Vor allem, wenn der Staat seine Finger im Spiel hat. Besser wäre es, Facebook und Twitter voll in die Pflicht zu nehmen. Der Herr Zuckerberg hat für das, was auf seiner Seite läuft, Verantwortung zu tragen. Einerseits. Andererseits wäre mehr Innovationsförderung in Österreich gefragt; auf den Unis und natürlich darüber hinaus. Aus vielen Ideen kann noch am ehesten eine erfolgversprechende entstehen.

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