Vorteil Kurz

ANALYSE. Identitäre, Kickl: Freiheitliche tun dem Kanzler und ÖVP-Chef einen Gefallen. Im Sinne einer Mehrheit kann er Leadership auf ihre Kosten zeigen.

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ANALYSE. Identitäre, Kickl: Freiheitliche tun dem Kanzler und ÖVP-Chef einen Gefallen. Im Sinne einer Mehrheit kann er Leadership auf ihre Kosten zeigen.

Der Preis, den die ÖVP dafür bezahlt hat, nicht unterzugehen, ist groß: Sie hat sich ganz Sebastian Kurz übertragen. Dieser schwenkte auf einen rechtspopulistischen Kurs um und ging schließlich eine Koalition mit den Freiheitlichen ein. Was von der alten Volkspartei auf Bundesebene übrig ist, kann man so oder so auslegen. Ex-Raiffeisen-Boss Christian Konrad findet, sie sei nicht mehr christlich-sozial, der ehemalige Chefideologe Andreas Khol ist eifrig bemüht, dagegenzuhalten. Doch darum geht es hier nicht.

Der Punkt ist, dass die Freiheitlichen dabei sind, dem Kanzler und ÖVP-Chef einen Gefallen zu tun. Im Umgang mit den Identitären sowie den Nachrichtendiensten haben sie wieder einmal Grenzen überschritten und sind zu ihrem eigenen Schaden unpopulär geworden. Im einen Fall ist es ihnen schlicht und ergreifend unmöglich, glaubhaft zu machen, dass sie mit Rechtsextremen zumindest informell exakt gar nichts zu tun haben; im anderen Fall haben sie es unter Federführung von Innenminister Herbert Kickl geschafft, dafür zu sorgen, dass österreichische Nachrichtendienste international in Misskredit geraten sind – was wiederum bedeutet, dass ihnen wichtige Informationen vorenthalten werden könnten, alles in allem also ein potenzielles Sicherheitsrisiko für ganz Österreich darstellt. Sprich: Der Ruf der selbsternannten Sicherheitspartei ist ziemlich ramponiert. 

So sehr Rechtspopulismus salonfähig geworden ist, so wenig ist es Rechtsextremismus geblieben.

Kurz ist es unter diesen Umständen ein Leichtes, rote Linien zu ziehen, wie er es tut: So sehr beispielsweise Rechtspopulismus salonfähig geworden ist, so wenig ist es Rechtsextremismus geblieben. Das geht einer Mehrheit zu weit. In diesem Sinne kann Kurz nur gewinnen, wenn er ein bisschen Leadership demonstriert und einschreitet. Und zwar doppelt: Man sollte nie vergessen, dass die größte Konkurrentin der ÖVP nicht die SPÖ, nicht die Grünen und auch nicht die Neos sind. Es handelt es sich vielmehr um den Koalitionspartner FPÖ. „Nicht streiten“ im Regierungsalltag mag darüber hinwegtäuschen; es ist aber so.

Siehe Wählerströme 2015 und 2017: Bei den Landtagswahlen 2015 hat die FPÖ vor allem auch auf Kosten der ÖVP triumphiert. In Oberösterreich kam jeder vierte, in der Steiermark gar jeder dritte ihrer Wähler von dieser. Bei der folgenden Nationalratswahl hätte sich das wiederholen können. Kurz hat das mit der eingangs erwähnten Kursänderung verhindern können. Ja, er hat der FPÖ sogar mehr Wähler abgenommen als diese von seiner Volkspartei geholt hat.

Will Kurz in naher oder ferne Zukunft zulegen, wird ihm dies wohl auch weniger auf Kosten der übrigen Mitbewerber gelingen als auf Kosten der FPÖ. Dafür spricht, dass die türkis-blaue Summe bei den laufenden Sonntagsfragen etwa gleich bleibt, Türkis aber eher zulegt und Blau verliert. Wie auch immer: Schaden sich Heinz-Christian Strache, Kickl und Co. weiter selbst, kann das Kurz durchaus recht sein.

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