Von Merkel lernen

ANALYSE. Verglichen mit österreichischen Politikern schafft die deutsche Kanzlerin Traumwerte. Warum einige von diesen trotzdem auf sie einprügeln, ist daher schleierhaft. 

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ANALYSE. Verglichen mit österreichischen Politikern schafft die deutsche Kanzlerin Traumwerte. Warum einige von diesen trotzdem auf sie einprügeln, ist daher schleierhaft. 

Die österreichische Geschichte von der deutlichen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) geht ungefähr so: „Dieser elendigliche Wir-schaffen-das-Kurs in der Flüchtlingsfrage hat Chaos über Mitteleuropa gebracht und wird letzten Endes auch nur ihr politisches Ende zur Folge haben. Siehe AfD-Erfolge. Also hat man besser nichts mehr mit ihr zu tun. Im Gegenteil, man gehe möglichst laut oft auf Distanz zu ihr.“

Wenn jemand einen Grund hat, diese Version zu verbreiten, dann vielleicht noch die Freiheitlichen: Wie die deutsche AfD können sie davon profitieren, dass die Merkl’sche Flüchtlingspolitik von Teilen der Bevölkerung abgelehnt wird; und dass sie daher als Absage dazu dienen können. Ein Blick nach Deutschland zeigt jedoch, dass selbst das relativ ist: Angela Merkel ist – nach österreichischen Maßstäben – überaus erfolgreich; in Umfragen erreicht sie verglichen mit den meisten ihrer hiesigen Kollegen geradezu Traumwerte.

Beispiel Sonntagsfrage: Laut ZDF-Politbarometer kommen CDU/CSU derzeit auf 34 Prozent. Ihre österreichische Schwesterpartei ÖVP muss sich trotz (oder wegen?) ihrer Absage an Merkel, die insbesondere Außenminister Sebastian Kurz betreibt, mit gerade einmal 18 Prozent begnügen. Und die SPÖ hält auch nur 27 Prozent, so eine Gallup-Erhebung für die Tageszeitung Österreich Anfang November. Auf der anderen Seite erreicht die rechtspopulistische AfD im großen Nachbarland zwölf Prozent. Zwölf Prozent: Die FPÖ ist hierzulande mit 35 Prozent fast dreimal stärker.

Genau genommen müsste Merkels Standing kein Grund zur Panik, sondern eine Ermunterung sein.

Beispiel Kanzlerfrage: 55 Prozent der Deutschen wollen, dass Merkel Kanzlerin bleibt, wie Bild am Sonntag unter Berufung auf eine Emnid-Erhebung berichtet. Ein Wert, an den sich ihr österreichischer Amtskollege Christian Kern (SPÖ) erst heranarbeiten muss – und der für seine Mitbewerber Reinhold Mitterlehner (ÖVP) und Heinz-Christian Strache (FPÖ) überhaupt außer Reichweit scheint.

Beispiel Regierungsarbeit: Laut ZDF-Politbarometer finden sechs von zehn Deutschen „gut“, was Merkel und ihr Kabinett machen. Eine klare Mehrheit also. Nimmt man in Österreich die Sonntagsfrage als Anhaltspunkt dafür, wie das in Österreich ist, dann tut das hierzulande wohl eher nur eine starke Minderheit.

Genau genommen müsste Merkels Standing in Deutschland also zumindest allen Nicht-Rechtspopulisten kein Grund zur Panik, sondern vielmehr Ermunterung sein: Man mag nicht triumphieren, wenn man Kurs hält; von einem Absturz, wie ihn Vertreter von ÖVP, aber auch SPÖ befürchten, bleibt man jedoch weit entfernt.

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