Schwarz-blaue Hegemonie

ANALYSE. Warum es für ÖVP und FPÖ in fast schon beängstigender Art und Weise gut läuft: 9 Gründe. 

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ANALYSE. Warum es für ÖVP und FPÖ in fast schon beängstigender Art und Weise gut läuft: 9 Gründe.

Es renne so gut für Schwarz-Blau, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vize Heinz-Christian Strache (FPÖ) nicht einmal die Kulisse des Sommernachtskonzerts in Schönbrunn für PR nutzen mussten, sondern das Fronleichnams-Wochenende für sich genießen konnten, so Stefan Kappacher auf gehoertgebloggt. Ja, die beiden können sich wirklich zurücklehnen. Alles läuft in ihrem Sinne. Nichts muss ihnen Sorgen bereiten. Warum auch?

Erstens. Zunächst einmal profitiert diese Regierung noch immer davon, dass die alte weg ist. Das sollte man nicht unterschätzen: Rot-Schwarz war aus vielen und nicht zuletzt von eigenen Teilen selbst provozierten Gründen so etwas von untern durch in der allgemeinen Wahrnehmung, dass (beinahe) alles andere nur besser sein konnte.

Zweitens. Davon profitiert Schwarz-Blau umso mehr, als Kurz und Strache nicht nur unterlassen, was Rot-Schwarz verkommen ließ, sondern an die Stelle permanenter Auseinandersetzung demonstrative Geschlossenheit setzen.

Der 31-Jährige macht Politik, Parteien und alles, was in Verruf geraten ist, vergessen.

Drittens. Der Kurz-Faktor. Der 31-Jährige macht Politik, Parteien und alles, was in Verruf geraten ist, vergessen. Er spricht ausgewählte Themen so an, dass sich eine gewisse Masse angesprochen fühlt: „Genau, richtig!“

Viertens. Nicht unterschätzen kann man die Bedeutung des Themas Flüchtlinge. Hier gibt es nur noch Schwarz oder Weiß. Grenzen schließen oder offenlassen etc. Die Position der gegenwärtigen Koalition ist klar. Und sie ist ganz offensichtlich auch im Sinne einer Mehrheit, die einen staatlichen Kontrollverlost wie 2015 nicht mehr erleben möchte. Koste es, was es wolle. Die Gegenposition („Weiß“) hieße zum Beispiel „Willkommenskultur“. Doch das ist derartig diskreditiert, dass sich kaum noch jemand ernsthaft traut, davon zu reden.

Fünftens: Schwarz-Blau hat sich bisher auch sonst eher auf populäre Themen und Überschriften beschränkt. Senkung Arbeitslosenversicherungsbeiträge, Zusammenlegung von Krankenkassen oder Ausbau der Familienförderung kommen gut an, no na. Um eine ökologische Steuerreform im Sinne des Klimaschutzes inkl. Abschaffung des Dieselprivilegs oder eine Sicherstellung der Pflegefinanzierung machten Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP), Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) und Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) bisher einen Bogen.

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Sechstens. Der Opposition ist es bisher nicht gelungen, bei einem dieser Themen wahrnehmbar mitzumischen oder überhaupt ein anderes zu setzen. Am ehesten noch in die Nähe davon kam zuletzt die Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou mit der City-Maut. Das ist insofern originell, als ihre Partei, die Grünen, nicht mehr im Nationalrat vertreten ist.

Siebtens. Es ist nicht so, dass die Koalition keine Angriffsflächen bieten würde. Siehe BVT-Affäre. Dazu fehlt bisher jedoch ein Angreifer vom Kaliber eines Peter Pilz in seinen besten Jahren, der es schafft, wunde Punkte anzusprechen und über Wochen hinweg auf der Agenda zu halten.

Einem österreichischen Staatsoberhaupt bleibt letzten Endes kaum mehr als mahnende Worte zu sprechen; und damit muss er haushalten.

Achtens. Jede einzelne Oppositionspartei ist derzeit eher im Sinne der Regierung aufgestellt. Von der Liste Pilz gar nicht zu reden. Die Neos befinden sich in einer Übergangsphase zwischen Matthias Strolz-Abgang und Beate Meinl-Reisinger-Übernahme. Die Sozialdemokratie ist eine Zerrissene, zu groß sind die Differenzen zwischen wesentlichen Vertretern, wie Peter Kaiser auf der einen und Hans Niessl sowie Michael Ludwig auf der anderen Seite; Christian Kern ist es schon von daher schier unmöglich, eine Alternative zu Schwarz-Blau zu definieren.

Neuntens. Bundespräsident Alexander Van der Bellen kann der Regierung nicht wirklich wehtun. Einem österreichischen Staatsoberhaupt bleibt letzten Endes kaum mehr als mahnende Worte zu sprechen; und damit muss er naturgemäß haushalten, sonst erleidet er einen zu großen Autoritätsverlust.

All das trägt dazu bei, dass es nicht einmal mehr eine politische Auseinandersetzung im Sinne eines Diskurses gibt, gewissermaßen also eine schwarz-blaue Hegemonie existiert. Das ist fast schon beängstigend. Um es mit den Worten von Norbert Hofer zu formulieren: „Macht braucht Kontrolle“, wiederholte er im Präsidentschaftswahlkampf 2016 einen alten Slogan. Jetzt sitzt er als Verkehrsminister in einer Regierung beinahe ohne eine solche. 

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