Mosers Unbeholfenheit

ANALYSE. Seit wann bringen Regierungsmitglieder parlamentarische Anfragen ein? Der Justizminister, der weder viel tun kann noch soll, führt ebendies als Leistungsausweis an.

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ANALYSE. Seit wann bringen Regierungsmitglieder parlamentarische Anfragen ein? Der Justizminister, der weder viel tun kann noch soll, führt ebendies als Leistungsausweis an.

Zu den größeren Missverständnissen gehört, dass diese Bundesregierung die Absicht habe, den Staat strukturell umzubauen. Siehe Steuerreform: Auf dem Tisch liegt eine Entlastungsliste; aber weder eine Neukodifizierung des Einkommensteuergesetzes, wie sie für das kommende Jahr im schwarz-blauen Arbeitsprogramm ausdrücklich angekündigt ist, noch eine Systemvereinfachung oder eine wirkungsvolle Umschichtung vom Faktor Arbeit hin zum Faktor Energie (> Ökologisierung) beispielsweise. Oder Sozialversicherungsreform: Zu dem, worauf die Zusammenlegungen hinauslaufen, ist schon viel geschrieben worden; nicht auf Einsparungen, sondern auf eine Entmachtung roter Arbeitnehmervertreter nämlich.

Wenn, dann müsste sich der Bundeskanzler um eine Staatsreform kümmern; das müsste selbstverständlich Chefache sein.

Oder Staatsreform: Das wäre das große Projekt, das Justizminister Josef Moser übertragen worden ist. Ein undankbarer Job, der aus zwei Gründen zum Scheitern verurteilt ist: Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz legt keinen Wert darauf, sich mit den Ländern anzulegen. Als ÖVP-Chef ist selbst er auf ein gutes Einvernehmen angewiesen. Vor allem aber hat Moser keine Macht. Wer Landeshauptleute für eine spürbare Veränderung gewinnen will, muss ihnen eine solche entweder diktieren oder über ein Gegengeschäft schmackhaft machen können. Als einfachem Minister, der ÖVP-intern als ehemaliger Freiheitlicher nie als gewichtiger Vertreter der eigenen Partei durchgeht, ist ihm beides jedoch ganz und gar unmöglich. Wenn, dann müsste sich Kurz darum kümmern; eine Staatsreform mit echten Kompetenzbereinigungen müsste, sofern ernst gemeint, selbstverständlich Chefsache sein.

Hinzu kommt, dass Moser kein Politiker ist. Zum Politiker sein gehört, Stimmung für eine Sache in dem Sinne zu machen, dass letzten Endes eine Mehrheit dafür ist. Zum Politiker sein gehört außerdem, Kritik parieren zu können. Was das betrifft, ist der 63-Jährige jedoch zu unbeholfen.

FPÖ-Politiker aus der zweiten Reihe haben Moser öffentlich vorgeworfen, zu wenig zu liefern. Ja, man sehe nichts von ihm. Zugegeben, das ist eine Kritik, auf die es keine unmittelbare Erwiderung geben kann. Jede Antwort ist eine Bestätigung, macht den Kritisierten lächerlich (Beispiel: „Ich bitte Sie, man sieht mich sehr wohl!“).

Der Minister erwidert, er habe 264 parlamentarische Anfragen eingebracht.

Im „Kurier“ – und zeitglich ähnlich auch in der „Presse“ – antwortete Moser, der Vorwurf lasse sich „schnell“ entkräften: „Ich habe 161 Ministerratsvorträge eingebracht, an 21 Ausschüssen teilgenommen und 264 parlamentarische Anfragen eingebracht.“ Weder ihm noch der Zeitung ist da etwas aufgefallen. Die Kleinigkeit sagt jedoch einiges aus. Letzteres ist nicht einmal korrekt: Anfragen bringen ausschließlich Abgeordnete ein. Stichwort Interpellationsrecht. Regierungsmitglieder haben die Anfragen zu beantworten – ob sie wollen oder nicht, das gehört zu ihren Pflichten.

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