Kerns Problem

ANALYSE. Der Kanzler will Reformen angehen. An Konzepten mangelt es nicht. Scheitern könnte er viel eher an Kammern, Ländern und dem Koalitionspartner. 

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ANALYSE. Der Kanzler will Reformen angehen. An Konzepten mangelt es nicht. Scheitern könnte er viel eher an Kammern, Ländern und dem Koalitionspartner.

Der neue Bundeskanzler ist entschlossen. Nachdem Christian Kern (SPÖ) in seiner ersten Amtswoche ankündigte, dass er die Stimmung im Land verbessern möchte, hat er nun gemeinsam mit seinem Vize Reinhold Mitterlehner (ÖVP) fünf „Themenbereiche“ definiert, in denen konkrete Maßnahmen folgen sollen: „Wirtschaft und Beschäftigung, Innovation, Technologie, Forschung und Entwicklung, Bürokratie- und Verwaltungsvereinfachung, Bildungsreform sowie Integration, Asyl und Sicherheit.“

Die erste Hürde wird Kern locker nehmen können: Maßnahmen müssen keine mehr entwickelt werden. Vorschläge, Entwürfe und Konzepte gibt es bereits mehr als genug. Man muss sie quasi nur aus der Schublade holen.

Der Haken ist vielmehr ein anderer: Kern muss sich entscheiden, ob er die Projekte – der österreichischen Tradition entsprechend – gemeinsam mit den Sozialpartnern umsetzen will. Oder ob er allenfalls über sie hinwegfährt. Ähnliches gilt für die Länder. Leicht ist das allerdings nicht.

Der rot-weiß-rote Reformstillstand ist weniger auf mangelnden Willen zurückzuführen, als auf das System: Die Kammern und der Gewerkschaftsbund genießen nicht nur einen verfassungsrechtlich abgesicherten Sonderstatuts; sie sind indirekt über zahlreiche Abgeordnete auch an der Gesetzgebung beteiligt. Gegen sie ist es also schwer vorzugehen.

Erwin Pröll, Michael Häupl und Co. bestimmen über die Wahllisten einen Großteil der Mandatare; diese sind ihnen damit verpflichtet. 

Noch extremer ist das bei den Ländern bzw. den Landesparteien: Erwin Pröll, Michael Häupl und Co. bestimmen über die Wahllisten einen Großteil der Mandatare; diese sind ihnen damit verpflichtet. Bundesparteivorsitzende haben daneben einen schweren Stand; und zwar auch dann, wenn sie Kanzler sind.

Für Kern gibt es da nur einen Weg: Zumal Sozialdemokraten vom Boden- bis zum Neusiedlersee ihre letzten Hoffnungen in ihn setzen, kann er sich sehr viel leisten – ja, möglicherweise könnte er sogar die Macht von Kammern und Ländern brechen. Die Stimmungsmache, um die er sich bemüht, könnte dabei entscheidend sein. Er muss sich allerdings beeilen. Irgendwann ist nämlich auch sein Bonus dahin.

Kaum Einfluss nehmen kann Kern auf den Koalitionspartner: Im Unterschied zu ihm hat Reinhold Mitterlehner seine Partei nicht in der Hand; im Gegenteil, niemand zweifelt daran, dass er eines Tages durch Sebastian Kurz abgelöst wird. Für Reformbeschlüsse ist die ÖVP jedoch notwendig; spielt sie nicht mit, ist alles Bemühen darum vergebens.

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