Ende der Geduld

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ANALYSE. Grüne lassen sich bei Transparenzbestimmungen hinhalten, doch auch Sozialdemokraten könnten mehr Druck machen. Sonst wird das nichts mit notwendiger Korruptionsbekämpfung.

„Von vielen Regierungen versprochen, mit den Grünen in der Regierung wird es nun wirklich umgesetzt“, behauptete die Klubobfrau der Partei, Sigrid Maurer, vor bald einem Jahr, am 16. Februar 2021, in einer Aussendung. Gemeint war die Abschaffung des Amtsgeheimnisses bzw. die Einführung einer Informationsfreiheit. Es ging darum, mehr Transparenz zu schaffen bzw. ein Stück Korruptionsbekämpfung. Stand heute ist das Vorhaben noch immer nicht umgesetzt. Maurers Chef, Vizekanzler Werner Kogler, erinnerte vor Weinachten an „schwerwiegende Einwände aus Bundesländern und Gemeinden“, die sich die Umsetzung nicht zutrauen würden. Man hoffe jedoch, etwas zusammenzubringen: „Notfalls muss man einen Kompromiss machen, aber wir werden das nicht allzu sehr verwässern lassen.“

„Nicht allzu sehr verwässern“? Schon bisher hat man befürchten müssen, dass sich kaum etwas ändert, dass aus einem Amtsgeheimnis mit Ausnahmen eine Informationsfreiheit mit (zu) weitreichenden Einschränkungen werden könnte. Vor allem aber ist kein Informationsfreiheitsbeauftragter, keine Informationsbeauftragte vorgesehen, der oder die den Menschen zur Seite steht, wenn sich eine Behörde einfach weigert, Dinge bekanntzugeben. Was auch Medien, die im Sinne einer größeren Öffentlichkeit tätig sind, zu schaffen machen könnte.

Die Grünen gelangen zu einem Punkt, an dem sie sich fragen müssen, wie lange sie sich noch hinhalten lassen wollen. Es geht schließlich um extrem viel: ÖVP-Korruptionsaffären verdeutlichen, wie viel Postenschacher, „Freunderlwirtschaft“, geheimnisvolle Parteienfinanzierung und Willkür bei öffentlichen Auftragsvergaben (Inserate!) wuchert; und zwar eben auch, weil zu wenig Transparenz existiert. Vor allem aber zeigt die ÖVP unter Bundeskanzler Karl Nehammer bemerkenswert wenig Interesse daran, Nennenswertes zu verändern. In Teilen steht sie sich selbst im Weg. Zum Beispiel bei der Informationsfreiheit, die Länder- und Gemeindevertreten zuwiderläuft, die es gewohnt sind, zu schalten und zu walten, wie es allein ihnen gefällt.

Für Kogler, Freundinnen und Freunde, die sich in der Vergangenheit glaubhaft als KorruptionsbekämpferInnen ausgegeben haben, wird das gefährlich. Klar, es darf nicht übersehen werden, dass sie sich darum bemühen, die Justiz möglichst wirkungsvoll tätig sein zu lassen. Trotzdem kann man sich darüber wundern, dass sie nicht lauter werden und den Druck erhöhen. Bündnispartner würde es geben. Zumindest die Neos.

Die SPÖ könnte unter Pamela Rendi-Wagner engagierter sein. Ihr Problem ähnelt dem der Schwarz-Türkisen: Wien setzt sich unter Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) ebenfalls dem Vorwurf aus, lichtscheu zu sein. Zu Inseraten heißt es im dortigen Regierungsprogramm beispielsweise, in einer neuen Strategie werde festgelegt, dass die Stadt „bevorzugt mit jenen Medien zusammenarbeiten wird, bei denen journalistische Sorgfalt, Innovation sowie Aus- und Weiterbildung der Journalist_innen einen hohen Stellenwert haben. Hierfür werden klare und transparente Kriterien und Sanktionen definiert.“ Angekündigt wurde das im Jahr 2020. Umgesetzt ist bis heute nichts. Muss das sein?

Wenn man der ÖVP vorwirft, die Zeichen der Zeit nicht zu erkennen, dann muss man das auch in Bezug auf die SPÖ tun: Politik kann nicht mehr tun, was bzw. wie es ihr gefällt, es ist so viel Machtmissbrauch zusammengekommen, dass sie Bürgerinnen und Bürger erst recht ständig und bei allem Rechenschaft schuldig ist. Sonst riskiert sie, abgewickelt zu werden. Insofern könnte gerade eine Sozialdemokratie, die auf Bundesebene in die Regierung zurückkehren möchte, von sich aus auf die Idee kommen, für Transparenz zu kämpfen – auch wenn es ihr kurzfristig da und dort selbst wehtun mag.

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