Bezeichnende Hemmungslosigkeit

ANALYSE. Was Bösch und Dönmez von sich gegeben haben, hat sich gewissermaßen abgezeichnet. 

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ANALYSE. Was Bösch und Dönmez von sich gegeben haben, hat sich gewissermaßen abgezeichnet.

Wenn jedes Maß verloren gegangen ist, muss man sich nicht wundern, wenn der eine oder andere weit darüber hinaus geht. Das liegt in der Natur der Sache: Wenn auf höchster Ebene vorzugsweise Beziehungen zu Wladimir Putin, Viktor Orbán und Matteo Salvini gepflegt werden; wenn Begriffe wie „Festung Europa“, Schließung der Mittelmeeroute und Anlandeplattformen die alleinigen Ziele politischen Handelns zum Ausdruck bringen; und wenn Andersdenkende einfach nur pauschal als „Linke“ verunglimpft werden, dann sind es nur noch wenige Schritte zu den Aussagen von Reinhard Bösch, Claudia Schmidt und Efgani Dönmez.

Vor diesem Hintergrund hat sich der freiheitliche Wehrsprecher und Oberst der Reserve, Reinhard Bösch, ganz offensichtlich nicht mehr viel gedacht, als er im Interview mit der Neuen Vorarlberger Tageszeitung meinte, dass man für Anlandeplattformen für Flüchtlinge allenfalls halt auch mit militärischer Gewalt einen bestimmen Raum in Afrika in Besitz nehmen müsse. Wie soll das, frei nach dieser Logik, denn auch anders gehen?

… in diesem Klima, in dem Flüchtlinge ausschießlich als fremde, bedrohliche Masse gelten.

Oder die ÖVP-EU-Abgeordnete Claudia Schmidt, die in diesem Klima, in dem Flüchtlinge ausschießlich als fremde, bedrohliche Masse gelten, unverblümt postete, wie sie das sieht, ehe sie sich nach heftigen Protesten dafür entschuldigte und es löschte: „Wenn wir aber unsere Gesellschaft so wie sie ist bewahren wollen, dann können wir keine Einwanderung aus Afrika zulassen. Es ist kindlich naiv zu glauben, dass ausgerechnet diejenigen Menschen, deren Kulturen nichts anderes produzieren als Leid, Verfolgung, Unterdrückung und Perspektivenlosigkeit einen positiven Beitrag für Europa leisten können. Afrikaner wollen nicht wie wir Europäer denken und arbeiten, aber gerne wie wir Europäer leben.“

Ein Aufeinander-eingehen gibt es nicht mehr. Sprich: Der Andere ist Gegner, um nicht zu sagen Feind.

Oder Efgani Dönmez: Der politische Diskurs ist schwer beschädigt, um nicht zu sagen zerstört. Walter Hämmerle spricht in seinem Buch „Der neue Bürgerkrieg“ gar schon von einem solchen: Entweder man ist für XY oder man ist gegen XY. Einen Austausch, ein Aufeinander-eingehen gibt es nicht mehr. Sprich: Der Andere ist Gegner, um nicht zu sagen Feind. Dönmez brachte das in Bezug auf die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli auf seine Weise zum Ausdruck. Auf die Frage eines Nutzers, wie sie nur zu ihrem Amt gekommen sei, twitterte er bekanntlich: „Schau dir mal ihre Knie an, vielleicht findest du da eine Antwort.“

Auch Kurz muss an der Wiederherstellung einer politischen Kultur arbeiten, die solche Auswüchse weniger wahrscheinlich machen.

Das ging Kanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz zu weit. Immerhin pflegte er in diesem Fall eine Rücktrittskultur, wie sie in Österreich weniger verbreitet ist und sorgte nach gut einem Tag dafür, dass Dönmez aus dem ÖVP-Klub flog; in der Vergangenheit dauerte derlei eher viel länger. Das muss man zugestehen. Andererseits: Auch Kurz muss nun ganz grundsätzliche Klarstellungen treffen und an der Wiederherstellung einer politischen Kultur arbeiten, die solche Auswüchse weniger wahrscheinlich macht. Es wäre in seinem eigenen Interesse. Allein schon der Dönmez-Abgang schwächt zumindest seine Fraktion auf parlamentarischer Ebene, wenn nicht noch viel mehr. 

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