Arbeitszeit: Flexibilisierung schadet Wirtschaft

ANALYSE. Allmählich stellt sich heraus, dass für Unternehmen gar keine Änderung eher besser gewesen wäre als diese.

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ANALYSE. Allmählich stellt sich heraus, dass für Unternehmen gar keine Änderung eher besser gewesen wäre als diese.

Zumindest insgeheim dürfen Sozialdemokraten im Allgemeinen und Gewerkschafter im Besonderen mehr als zufrieden sein damit, was sie bei der Arbeitszeitflexibilisierung erreicht haben. Mag sein, dass sie „Gräuelpropaganda“ dazu eingesetzt haben, wie es Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer (ÖVP) festgestellt hatte; knallhart abgerechnet, tut das jedoch nichts zur Sache für sie. Unterm Strich bleibt, dass sie das Ansinnen der Regierung nicht nur erfolgreich aus ihrer Sicht torpediert haben; sondern auch, dass siese Flexibilisierung allmählich eher zum Nachteil vieler Unternehmen wird.

Der Lohnabschluss bei den Metallern ist der bisherige Höhepunkt bei alledem: Die Gewerkschafter um Rainer Wimmer haben durchgesetzt, dass ab der elften und zwölften Arbeitsstunde bzw. aber der 51. Wochenstunde Zuschläge von 100 Prozent kommen. „Das heißt, wir haben sie verteuert“, so Wimmer. Das heißt umgekehrt, dass sich Unternehmen künftig zweimal überlegen müssen, ob sich eine Flexibilisierung, aus welchem Anlass auch immer, überhaupt lohnt.

Die Arbeitgeberseite hat sich diese Lohnrunde also teuer erkauft; bzw. vielleicht auch teuer erkaufen müssen: Die Regierungsspitze hat es ihr nicht einfach gemacht, indem sie im September zu ordentlichen Abschlüssen ermunterte. Und die Gewerkschafter waren seit dem „Flexibilisierungsbeschluss“ im Sommer kampfbereit. Wobei die Regierung womöglich auch selbst zu einer gewissen Eskalation beigetragen hat, indem sie die Arbeitnehmervertreter zuvor nicht einmal zu einer einzigen Verhandlungsrunde geladen hatte, die der Öffentlichkeit ein letztes Mal vor Augen führt, dass es gar nicht anders geht, als diese Maßnahme ohne Sozialpartnereinigung zu fixieren. Solch ein Akt hätte es ÖVP und FPÖ erleichtert, den Alleingang auf parlamentarischer Ebene nach außen hin zu argumentieren.

Flexible Arbeitszeiten liefen unbemerkt. Jetzt sind (gefühlt) alle Scheinwerfer auf jeden Einzelfall gerichtet.

Wie auch immer: SPÖ und ÖGB haben es im Übrigen geschafft, dafür zu sorgen, dass die Arbeitszeitflexibilisierung nur unter ausdrücklicher Betonung der Freiwilligkeit gekommen ist; sowie unter der Bedingung, dass eine Verweigerung einem Arbeitnehmer nicht zum Nachteil gereichen darf. Damit ist im Grunde genommen schon einmal eine Hürde geschaffen worden, die kaum im Sinne der Erfinder dieser Flexibilisierung sein kann.

Doch es geht noch viel weiter: Flexible Arbeitszeiten waren in der Praxis schon bisher weitestgehend unbemerkt sehr verbreitet. Jetzt sind (gefühlt) aber alle Scheinwerfer auf jeden Einzelfall gerichtet – und das muss Firmen noch viel, viel zurückhaltender machen, flexibel arbeiten zu lassen: „Ihre Freiwillig ist ein Schmarrn“, wetterte SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch vergangene Woche in einer Sondersitzung des Nationalrats in Richtung Regierungsfraktion, um ganz konkret zu werden und (an dieser Stelle nicht überprüfbare) Beispiele zu nennen, von einer Steuerberatungskanzlei in Tirol, die Unternehmen Mustervereinbarungen auf Verzicht der Freiwilligkeit angeboten habe, bis hin zu einem Salzburger Unternehmen mit 400 Mitarbeitern, das ebenfalls Einzelvereinbarungen auf Verzicht der Freiwilligkeit aufgelegt habe.

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