Van der Bellens Demontage

ANALYSE. Die Gegner des Bundespräsidenten übersehen eventuell, dass er persönlich über die größtmögliche Legitimation in diesem Land verfügt: 2.472.892 Wählerstimmen. Vielleicht aber ist ihnen das ohnehin egal, und sie streben schon etwas ganz anderes an.

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ANALYSE. Die Gegner des Bundespräsidenten übersehen eventuell, dass er persönlich über die größtmögliche Legitimation in diesem Land verfügt: 2.472.892 Wählerstimmen. Vielleicht aber ist ihnen das ohnehin egal, und sie streben schon etwas ganz anderes an.

Man kann darüber streiten, ob es klug war von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, in einem vertraulichen Gespräch mit Vertretern anderer EU-Staaten Kandidaten für Ministerposten auszuschließen, die möglicherweise gar keine Kandidaten sind. Zumindest aber könnte man in seinem Sinne zum Beispiel argumentieren, dass er versucht hat, Partnerländer zu beruhigen. Zumal es ja nicht egal ist, ob ein Harald Vilimsky zu Ministerehren kommen könnte oder nicht; ein Mann, der auf europäischer Ebene mit den größten Nationalisten kooperiert.

Weniger zu streiten gibt es über die öffentlich getätigte Aussage Van der Bellens, dass ihm bei den Koalitionsverhandlungen bisher das „Neue“ fehle: „Darauf warte ich noch.“ Steuern senken sei beispielsweise schon öfter ein Thema gewesen. Das mag in der Sache nicht ganz falsch sein. Ist erstens aber keine besonders präzise Analyse und zweitens ein kleiner Nadelstich gegen Sebastian Kurz (ÖVP) und Heinz-Christian Strache (FPÖ). Ja, man könnte auch von einer Rüge sprechen, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zwingend war.

Der Bundespräsident müsste mit seiner Autorität haushalten – und sollte sie nur in wirklich nötigen Momenten ausspielen.

Zumal der Bundespräsident mit seiner Autorität haushalten müsste – und sie nur in wirklich nötigen Momenten ausspielen sollte. Doch für solche Anmerkungen dürfte es ohnehin schon zu spät sein. Van der Bellens Gegner sind bereits zu seiner Demontage geschritten. Allen voran: die „Kronen Zeitung“. Zu den eingangs erwähnten Aussagen des 73-Jährigen gegenüber Diplomaten lieferte sie zuletzt ein laut einem Zeugen verfälschtes „Protokoll“ – mit dem Kommentar, dass er Ungeheuerliches von sich gegeben habe. Schon am Wochenende hat das Blatt geschrieben, es werde gerätselt, weshalb er sich „zum Störenfried“ entwickle: „Möglicherweise, weil er sich noch immer nicht als Bundespräsident, sondern als Professor fühlt, der zu allen passenden und unpassenden Gelegenheiten seinen Senf dazugeben will.“ Und so weiter und so fort.

Es handelt sich vor allem auch um eine Kampfansage an die demokratischen Verhältnisse.

Die Zeitung macht sich damit zur Handlangerin von Kurz und Strache, denen sie grundsätzlich wohlgesonnen gegenübersteht. Das könnte diesen recht sein. Sollte es aber nicht: Es handelt sich nämlich vor allem auch um eine Kampfansage an die demokratischen Verhältnisse.

  • Der Bundespräsident ist legitimiert, wie kein anderer in dieser Republik: Am 4. Dezember erhielt Alexander Van der Bellen persönlich 2.472.892 Wählerstimmen. Zum Vergleich: ÖVP und FPÖ kamen bei der Nationalratswahl „nur“ auf 1,6 und 1,3 Millionen. Eine Koalition stand im übrigen genauso wenig zur Wahl, wie ein Bundes- oder Vizekanzler. Beides kann nur über das Abschneiden von ÖVP und FPÖ am 15. Oktober abgeleitet werden. Indirekt also. Mehr nicht.

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  • Van der Bellen hat von vornherein erklärt, dass ihm insbesondere ein unmissverständliches Bekenntnis zur europäischen Integration bei der Regierungsbildung wichtig ist. Auch seine kritische Haltung zur FPÖ ist schon lange bekannt, wobei er bereits vor seiner Wahl klargestellt hat, dass er sie nicht kategorisch als Regierungspartei ausschließe. Pro-Europäisches stand und steht für ihn eben im Vordergrund. Nicht zuletzt auch mit dieser Botschaft hat er es mit den fast zweieinhalb Millionen Stimmen zu seinem nunmehrigen Amt geschafft. 
  • Wobei er selbstverständlich noch viel mehr Bedingungen definieren könnte. Und man natürlich auch Kritik daran üben dürfte. Immerhin sind ihm ohnehin Grenzen gesetzt: Über die Mehrheitsverhältnisse auf parlamentarischer Ebene kann er sich nicht hinwegsetzen. So viel Machtausgleich sieht die Verfassung vor.

Also besteht nicht die geringste Veranlassung, ihn zu demontieren. Außer man strebt eine Dritte Republik oder so etwas an, in dem es allein auf einen Kanzlerpräsidenten ankommt. 

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