Keiner wird gewinnen

ANALYSE. Nach diesem Wahlkampf bleiben verbrannte Erde und sehr wahrscheinlich nur Verlierer. 

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ANALYSE. Nach diesem Wahlkampf bleiben verbrannte Erde und sehr wahrscheinlich nur Verlierer.

Die Bewegung hat an Schwung verloren. Das kann man bei aller Vorsicht sagen: An ein Schüssel’sches Wahlergebnis wird die Neue Volkspartei von Sebastian Kurz mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht herankommen. Das war aber nicht nur erwartet worden (die Umfragewerte würden „durch die Decke“ schießen, hieß es immer wieder). Gut und gerne 42 Prozent wären auch nötig gewesen, um einen so klaren Führungsauftrag daraus ableiten zu können, dass einem Koalitionspartner ausschließlich die undankbare Rolle eines bloßen Mehrheitsbeschaffers und Gehilfen übrig geblieben wäre.

Ja, man wird am Sonntag unter Umständen auch darüber diskutieren, ob es von der ÖVP klug war, ziemlich berauscht durch begründete Erfolgsaussichten eine vorzeitige Nationalratswahl vom Zaun zu brechen. Das Kanzleramt mag man sich holen. Aber sonst? Der Preis ist extrem hoch.

Die ÖVP wird im besten Fall eine türkis-blaue Koalition bilden können. Mit Freiheitlichen allerdings, die ebenfalls gestärkt aus diesem Urnengang hervorgehen und daher auch entsprechende Ansprüche haben werden, also sehr unangenehme Partner sein werden. Womit Kurz von allem Anfang an ein Christian-Kern-Schicksal droht: Er würde zwar gerne strahlen wollen; der Koalitionspartner lässt ihn aber nicht.

Wo schon vorher zwischen SPÖ- und ÖVP-Funktionären eine gewisse Abneigung war, herrscht jetzt abgrundtiefer Hass.

Zumindest ebenso übel wäre es für Kurz, die „Große Koalition“, wie wir sie kennen, fortsetzen zu müssen. Von wegen Erneuerung: das wäre damit nicht drin. Zumal die Wunden, die in den vergangenen Wochen aufgerissen wurden, nicht überschätzt werden können. Wo schon vorher zwischen SPÖ- und ÖVP-Funktionären eine gewisse Abneigung war, herrscht jetzt abgrundtiefer Hass. Sprich: Eine Zusammenarbeit ist unter diesen Umständen wohl erst möglich, wenn auf beiden Seiten eine neue, nicht vorbelastete Politikergeneration die Bühne betritt.

Welche denkmöglichen Varianten gibt es noch? Wider Erwarten Platz eins für die SPÖ. Das könnte ihr zwar Genugtuung bescheren, mehr aber nicht. Das erwähnte Problem mit der ÖVP hätte umgekehrt auch sie. Und dann noch möglich wäre ein roter Horror: Rot-Blau. Das wäre längerfristig das sichere Ende der Sozialdemokratie. Aus einem ganz einfachen Grund: Ihr Platz und ihr größtes Potenzial ist mitte-links. Mitte-Rechts gibt es neben Türkis und Blau nichts mehr zu gewinnen; im Gegenteil.

Für Strache wäre es ein Albtraum, als Regierungschef die Hauptverantwortung für die Alpenrepublik übernehmen zu müssen. 

Bleibt noch ein möglicher Kanzlerkandidat: Heinz-Christian Strache (FPÖ). Für ihm wäre es ein Albtraum, als Regierungschef die Hauptverantwortung für die Alpenrepublik übernehmen zu müssen. Seine Stärke ist der Protest. Und das ist auch das Wesen seiner gesamten Partei. Das mag vielleicht noch mit einer Regierungsbeteiligung auf Landesebene kompatibel sein (dort ist an allem Unheil „Wien“ schuld), oder mit der Funktion eines Juniorpartners auf Bundesebne (dort steht im Zweifelsfall der „Senior“ in der Pflicht); das ist aber nicht mit der führenden Kraft ebendort vereinbar – sie nämlich wird wirklich nur an ihrer Problemlösungskompetenz bzw. den Ergebnissen gemessen.

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