Ist hier jemand wirklich leistungsfreundlich?

ANALYSE. Der Parteienwettbewerb konzentriert sich auf Geringverdiener. Die Spitze geht zumindest bei der Lohn- und Einkommensteuer beinahe leer aus.

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ANALYSE. Der Parteienwettbewerb konzentriert sich auf Geringverdiener. Die Spitze geht zumindest bei der Lohn- und Einkommensteuer beinahe leer aus.

Eines ist Sozialdemokraten und Grünen in der Steuerdebatte gelungen: Sie haben Sebastian Kurz (ÖVP) genauso in eine Ecke getrieben wie Heinz-Christian Strache (FPÖ). Und zwar mit der Unterstellung, dass sie die Masse gar nicht entlasten wollten. Begründung: Fast zweieinhalb Millionen Einkommensbeziehern bringt eine Steuersenkung gar nichts; bei ihnen kann man allenfalls die sogenannte Negativsteuer erhöhen. Also versuchen die Mitte-Rechts-Vertreter, bei den Lohnnebenkosten anzusetzen. Ob das bei den Arbeitnehmern unmittelbar ankommen würde, ist jedoch fraglich.

Bemerkenswert ist abgesehen davon, dass das österreichische Steuersystem auch unter türkis-blauer Führung zumindest in einer Hinsicht ziemlich leistungshemmend bleiben würde. Steuersenkungen im mittleren Bereich würden natürlich allen, die welche zahlen, etwas bringen. Was bleibt, ist jedoch dieses Problem: Welches Motiv soll jemand, der es könnte, haben, mehr als zum Beispiel 31.000 Euro (exklusive Sozialversicherungsbeiträge) zu verdienen, wenn er davon nicht 35, sondern wesentlich mehr abliefern muss? Der Anreiz ist jedenfalls reduziert; es geht eher nur noch um den Bedarf. Oder noch extremer: Warum soll man, wenn man die Möglichkeit dazu hätte, mehr als eine Million Euro verdienen, wenn davon mit 55 Prozent mehr als die Hälfte an den Fiskus geht?

Diese Frage ist beileibe nicht zynisch: Einkommensmillionäre liefern sehr viel Geld ab.

Diese Frage ist beileibe nicht zynisch: 2014 gab es laut Statistik Austria 494 Personen in Österreich mit einem Einkommen von mehr als einer Million Euro. Sie verdienten zusammen fast eine Milliarde Euro – und zahlten davon immerhin 381 Millionen Steuer (wobei sich der Spitzensteuersatz damals noch auf 50 Prozent belief). Das ist sehr viel Geld.

Und das ist zum einen zwar der solidarische, also leistungsabhängige Beitrag zum Gemeinwesen, muss andererseits aber die Frage aufwerfen, ob er nicht schon so leistungshemmend ist, dass bei einem etwas niedrigeren Satz nicht viel mehr Steuer zusammenkommen würde.

Eine Debatte darüber könnte man sich gerade von Parteien, die vorgeben, leistungsfreundlich zu sein, erwarten. Geführt wird sie nicht: ÖVP und FPÖ bekennen sich dazu, den Spitzensteuersatz beizubehalten. Was nachvollziehbar ist; es ist der Preis, den sie zahlen, möglichst breit aufgestellte „Volksparteien“ sein zu wollen.

Bereit, sämtliche Steuersätze zu senken, sind lediglich die Neos. Sie würden auch den Spitzenwert von 55 Prozent reduzieren. Auf maximal 50 Prozent (ab 1,1 Millionen Euro). Die einzige Kehrseite: Bis zu elf Prozentpunkte davon sollten Zuschläge sein, die Länder und Gemeinden je nach Bedarf selbst festlegen. Soll heißen: Hat man das Glück, in einer gut aufgestellten Region zu leben, wird man letzten Endes relativ wenig zahlen. Andernfalls aber hat man Pech, muss übersiedeln oder eben mehr zahlen – weil’s die Kommunen brauchen.

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