Hypo-U-Ausschuss: „Massive Behinderung, viele Erkenntnisse“

GASTKOMMENTAR VON RAINER HABLE. Der Hypo-U-Ausschuss erlebt diese Woche mit der Vorstellung der Fraktionsberichte und der Debatte im Plenum des Nationalrates sein Finale. 700 Stunden lang wurden zwischen April 2015 und Juli 2016 in 79 Sitzungen 123 Personen befragt. Was können wir daraus lernen? 

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GASTKOMMENTAR VON RAINER HABLE*. Der Hypo-U-Ausschuss erlebt diese Woche mit der Vorstellung der Fraktionsberichte und der Debatte im Plenum des Nationalrates sein Finale. 700 Stunden lang wurden zwischen April 2015 und Juli 2016 in 79 Sitzungen 123 Personen befragt. Was können wir daraus lernen?

Eines vorweg: Es gibt ihn nicht, den Untersuchungsausschuss. Zumindest nicht als einheitliche Institution mit einem gemeinsamen Aufklärungsinteresse. Vielmehr ist es ein Forum, in dem mehrere Fraktionen mit unterschiedlichen Interessen um Aufklärung bzw. Verhinderung derselben kämpfen. Demgemäß gibt es auch keinen Abschlussbericht des U-Ausschusses. Was fälschlicherweise so tituliert wird ist in Wahrheit der Bericht des Verfahrensrichters, der es schafft, auf über 500 Seiten jeder Frage von Fehlverhalten und Verantwortung aus dem Weg zu gehen.

Der U-Ausschuss wurde mit 16 Mio. Aktenseiten zugeschüttet

Der U-Ausschuss ist auch kein Minderheitenausschuss. Zumindest nicht in dem Sinne, dass die Minderheit den Ausschuss lenken könnte. Das Minderheitsrecht umfasst lediglich die Einsetzung des Ausschusses selbst und die Vorladung von Auskunftspersonen. Alle anderen Entscheidungen erfordern eine Mehrheit. Die Auswirkungen davon waren beim Beweismittelbeschluss zu sehen. Dieser hat zu Beginn des Ausschusses entschieden, von wem welche Akten zu liefern sind. Der Entwurf der Minderheit sah über neun Seiten ausformuliert eine sehr spezifische Aktenlieferung vor, um alle relevanten Dokumente – und nur diese – zu bekommen. Dieser Entwurf wurde von SPÖ/ÖVP vom Tisch gewischt und durch einen Ein-Seiter ersetzt. Dieser lautete: alle liefern alles. Das Ergebnis: Der U-Ausschuss wurde mit 16 Mio. Aktenseiten zugeschüttet. Die offensichtliche Absicht: brisante Informationen in der Aktenflut untergehen zu lassen.

Noch interessanter ist jedoch, welche Akten nicht geliefert wurden. SPÖ/ÖVP haben bis zuletzt verhindert, dass die Hypo Alpe Adria (jetzt HETA) selbst Akten liefern musste. Dies auf Basis einer fragwürdigen Rechtsauslegung. Doch die Mehrheit macht es möglich. Das Ergebnis: Ein Unternehmen, das zu 100% im Eigentum der Republik steht und nur mit dem Geld der Steuerzahler am Leben erhalten wird, muss einem parlamentarischen U-Ausschuss keine Akten liefern. Ein Hypo U-Ausschuss ohne Hypo-Akten nimmt seinen Lauf. Soviel zur Ausgangslage.

Drei Fragen standen im Zentrum der Aufklärung:

Frage 1. Wie konnte der – im internationalen Vergleich – Zwerg Hypo Alpe Adria gigantische Verluste von mindestens 15 Mrd. Euro anhäufen? Oder: Der Kriminalfall Hypo Alpe Adria.

Die Causa Hilltop (im U-Ausschuss als der Ziegenacker-Fall bekannt geworden) ist für die Beantwortung der Frage genauso aufschlussreich wie symbolhaft. Dabei wurden rund 40 Mio. Euro Kredit für eine karge Liegenschaft auf einer kroatischen Insel vergeben – ohne Besicherung, dafür mit einem gefälschten Wertgutachten. Die geplanten Tourismusprojekte wurden bis heute nicht gebaut. Das Geld jedoch ist weg. Die Profiteure der Transaktion wurden verschleiert, indem die Zahlungen über Liechtensteiner Treuhänder mit anonymen Stiftungskonstruktionen gelenkt wurden. Wie sich im U-Ausschuss durch die Untersuchung vieler solcher Causen ergeben hat, war diese Vorgangsweise kein Einzelfall, sondern System. Die Bank wurde so systematisch durch Kollusion von Kriminellen innerhalb und außerhalb der Bank ausgeräumt. Moderner Bankraub sozusagen – und der wahre Grund für den wirtschaftlichen Zusammenbruch der Bank.

Finanziert wurde diese „Kreditvergabe“ durch Anleihen, garantiert durch eine Ausfallshaftung des Landes Kärnten. Für von der Bank eingegangene Verbindlichkeiten musste weder vorher noch nachher eine Zustimmung eingeholt werden. Das Risiko für Kärnten war somit unbegrenzt und unkontrolliert. Die rasante Expansion der Hypo erfolgte primär unter LH Haider (FPÖ/BZÖ, 1999-2008), als die Landeshaftungen von 4,7 Mrd. Euro (2000) auf 24,7 Mrd. Euro (2007) anstiegen. Selbst als die EU-Kommission die Landeshaftungen für rechtswidrig erklärte, wurden durch einstimmigen Beschluss des Kärntner Landtages die Haftungen nicht begrenzt. Dadurch wurde es zugelassen, dass bis zum von der EU-Kommission vorgegebenen Ablaufdatum 2007 die Landeshaftungen von 10 Mrd. Euro auf fast 25 Mrd. Euro explodieren konnten.

Die Gegenleistung für unbegrenzte Haftungen war politische Kreditvergabe, Kredite, die die Bank aus wirtschaftlichen Gründen nie vergeben hätte dürfen. Besonders eklatant tritt dies beim Schlosshotel Velden zutage. 133 Mio. Euro wurden in ein von der Landespolitik erwünschtes touristisches Vorzeigeprojekt investiert. Verkauft wurde es schließlich um 39 Mio. Euro. Fehlbetrag: ca. 100 Mio. Euro.

Frage 2. Warum müssen die österreichischen Steuerzahler die Rechnung zahlen? Oder: Wie aus einer bayerischen eine österreichische Staatsbank wurde.

Der erste Sündenfall erfolgte bereits 2008, als der Bund der Hypo Alpe Adria 900 Mio. Euro aus Steuergeldern gewährte. Ohne sorgfältige Prüfung der wirtschaftlichen Situation der Bank. Als Alibi diente eine von der Österreichischen Nationalbank (OeNB) unter Gouverneur Nowotny innerhalb von vier Tagen verfasste Stellungnahme, die der Bank einen Persilschein ausstellte. Diese Gangart nicht nachvollziehbarer Sorgfaltswidrigkeiten setzte sich 2009 fort. Im Gegensatz zu Bayern zog die Bundesregierung, vertreten durch Kanzler Faymann und Finanzminister Pröll, keine externen Experten hinzu. Die Landeshaftungen wurden rechtlich keiner Prüfung unterzogen. Die Verhandlungspositionen wurden falsch bewertet. Eine Prüfung von Alternativen zur Übernahme der Hypo Alpe Adria ist nicht ersichtlich. Eine Due-Diligence-Prüfung, internationaler Standard bei der Übernahme von Unternehmen, wurde unterlassen. Und zu guter Letzt verzichtete der Bund auch noch auf jede Art von Gewährleistung, wodurch alle Risiken von Bayern auf die österreichischen Steuerzahler übertragen wurden.

Auch nach der Übernahme dominierte die Untätigkeit. Die Hypo Alpe Adria wurde, obwohl de facto insolvent und ohne überlebensfähiges Geschäftsmodell, fortgeführt. Dem U-Ausschuss vorliegende Protokolle weisen nach, dass die Tatsache falscher Bilanzen und die katastrophale wirtschaftliche Lage der Bank sowohl im BKA als auch im BMF spätestens Ende 2010 bekannt waren. Dennoch wurden die Bilanzen nicht korrigiert, der Verdacht der Bilanzfälschung nicht angezeigt und die Bank weiter mit Steuergeld künstlich am Leben gehalten.

Kann man bei einer solch auffälligen Serie von sorgfaltswidrigem Verhalten von Versagen sprechen? Oder war es vielmehr vorsätzliche Untätigkeit? Es drängt sich die Vermutung auf, dass die politische Entscheidung zur Übernahme und Fortführung der Hypo Alpe Adria vorab und ohne sachliche Grundlage erfolgte. Und so sollte man wie die alten Lateiner fragen: Cui bono? Wem nützte die Verhinderung einer Hypo-Insolvenz? Jedenfalls anderen Banken, die über Einlagensicherungssysteme mitzahlen hätten müssen. Doch erst im U-Ausschuss wurde bekannt, dass die Länder über ihre jeweiligen Landes-Hypos mit Haftungen in Höhe von 9,8 Mrd. Euro konfrontiert gewesen wären. Kommt es da nicht gelegen, wenn die fragwürdige Finanzgebarung der Landeshauptleute unter der Decke bleibt und die Steuerzahler die Rechnung begleichen?

Frage 3. Warum haben jahrelang alle verantwortlichen Minister und Behörden zugeschaut – und warum gibt es bis heute für die Verantwortlichen kaum bis keine Konsequenzen? Oder: Der Justizskandal Hypo Alpe Adria.

Die Finanzmarktaufsicht (FMA) wusste durch die Vor-Ort-Prüfungen der OeNB von der fragwürdigen Kreditvergabe Bescheid. Trotz serienweiser Verletzungen des Bankwesengesetzes ist die FMA jedoch nie nennenswert eingeschritten.

Im Vergleich zu den Vorgängen bei der „Aufarbeitung“ des Hypo-Kriminalfalls ist die Untätigkeit der „weisungsfreien“ FMA jedoch schon fast eine Randnotiz. Insbesondere die Justiz-Thematik steht nach dem U-Ausschuss in völlig neuem Licht da: Die Klagenfurter Staatsanwaltschaft (StA) war und ist völlig unzureichend mit Ressourcen ausgestattet. Das Justizministerium stellte der StA eine Beraterin zur Seite – ohne Ausschreibung und obwohl sie als ehemalige Gutachterin für die Hypo befangen war. Der StA wurde ein Staatsanwalt zugeteilt, der keinerlei Erfahrung in Wirtschaftscausen aufwies – auf Wunsch des Kabinettschefs im BMJ. Angeklagt werden, wenn überhaupt, nur Randthemen, jedoch kaum die großen verlustreichen Causen. (Kulterer wird wegen eines 2 Mio. Euro-Kredits verurteilt.) Andere Causen bleiben so lange liegen, bis sie verjähren – im Fall des ehem. Hypo-Wirtschaftsprüfers Moser zweimal. Angeklagt wird fast ausschließlich nur das Delikt der Untreue. Das ist praktisch für die Ankläger, denn sie müssen nur einen Schaden für die Bank durch Befugnismissbrauch nachweisen. Doch den kriminell abgezweigten Geldern wird dabei nicht nachgegangen. Das ist wiederum praktisch für die Profiteure, denn sie bleiben unbehelligt. Auf der Strecke bleiben die Steuerzahler und der Rechtsstaat. Dass der Rechtsstaat funktionieren könnte zeigt die Schweiz. Als die StA Zürich von einem Geldwäscheverdacht rund um Ex-Hypo-Chef Kulterer erfährt, gibt sie ihren österreichischen Kollegen geradezu eine Handlungsanleitung für ein Rechtshilfeersuchen, damit sie aktiv werden kann. Doch die StA Klagenfurt sieht keine Notwendigkeit einzuschreiten. Das ist kein Einzelfall. Im Ergebnis ist dem Verbleib der in betrügerischer Absicht entwendeten Hypo-Milliarden bis heute nie nachgegangen worden. Warum wohl?

Welche Conclusio bleibt nach 1 ½ Jahren U-Ausschuss übrig?

Politisch verantwortlich ist seit 2013 Justizminister Brandstetter. Vor seinem Ministeramt war Brandstetter als Strafverteidiger für die Hypo-Granden Kulterer, Moser und Berlin tätig. Jetzt ist er als Justizminister oberstes Organ der Staatsanwaltschaften. Ist das Konzept von Interessenskonflikten in Österreich nicht bekannt? Brandstetter war auch jahrelang für die Kanzlei Batliner in Liechtenstein tätig. Wir erinnern uns. Das ist jenes Fürstentum, in dem viele der Hypo-Verschleierungskonstruktionen aufgesetzt wurden. Angesichts solcher Zustände läuft sogar dem gelernten Österreicher ein kalter Schauer über den Rücken. Gilt der Rechtsstaat nur mehr für den Normalbürger?

Welche Conclusio bleibt nach 1 ½ Jahren U-Ausschuss übrig? Angesichts der massiven Behinderung der parlamentarischen Untersuchung ist es bemerkenswert, wie viele Erkenntnisse trotzdem gewonnen werden konnten. Doch jener Sumpf aus Verhaberung, Korruption und ausgehebeltem Rechtsstaat, der den Finanz- und Justizskandal Hypo Alpe Adria ermöglicht hat, existiert munter weiter. Es kann jederzeit wieder passieren.

*) Dr. Rainer Hable (44) ist Nationalratsabgeordneter der Neos und vertritt die Fraktion im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Causa Hypo Alpe Adria. Er bringt hier seine persönliche Einschätzung zum Ausdruck, die sich nicht mit jener von dieSubstanz.at decken muss. 

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