Eine Personaldebatte zu viel

ANALYSE. Man könnte meinen, die Große Koalition werde gemobbt. Davon profitieren können am ehesten zwei: Strache und Kurz. 

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ANALYSE. Man könnte meinen, die Große Koalition werde gemobbt. Davon profitieren können am ehesten zwei: Strache und Kurz.

Dass der Infrastrukturminister (erstens) an einem Sonntag und (zweitens) in einer Presseaussendung verkündet, „bis 2022 über 30,6 Milliarden Euro in Schiene, Autobahn und Schnellstraße, Breitbandnetz sowie Forschung und Entwicklung“ zu investieren, ist irgendwie bemerkenswert: Da geht es um einiges. Die Summe entspricht gut einem Drittel der gesamten Steuereinnahmen des Bundes (inkl. Länder- und Gemeindeanteile) eines Jahres. Normalerweise präsentiert man so etwas in Begleitung von Pauken und Trompeten. Dass Jörg Leichtfried (SPÖ) die ungewöhnliche Zurückhaltung wählte, mag viele Gründe haben. Zwei mögliche: Das Paket ist zu guten Teilen längst bekannt. Schon im Oktober berichtete „Der Standard“: „Rund 12 Milliarden Euro fließen bis zum Jahr 2022 in den Ausbau von Schiene und Straße, in Breitbandnetze sowie in Forschung und Entwicklung entlang der Südstrecke.“ Schon damals war darin etwa der Semmering-Basistunnel enthalten.

Doch sei’s drum: Auch wenn es von Leichtfried nicht so geplant war, wirkt die nunmehrige Wiederholung, als müsse er sich beweisen. Was nachvollziehbar wäre: Am Wochenende hatte die „Kronen Zeitung“ berichtet, er solle an die Spitze des weniger wichtigen Verteidigungsressorts weggelobt werden; Hans Peter Doskozil (SPÖ) solle von dort ins Innenministerium wechseln; und das prestigeträchtige Infrastrukturministerium solle an die ÖVP gehen. Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) könnte so elegant aus der Bundesregierung verabschiedet werden und so weiter uns so fort. Die „Presse“ ergänzte die Geschichte noch damit, dass Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) mit Leichtfried „in der Vergangenheit nicht immer zufrieden“ gewesen sei: „Er sei zu wenig innovativ und vor allem zu wenig in der Öffentlichkeit präsent.“

Da ist es schon uninteressant, was stimmt und was nicht stimmt. Entscheidend ist, dass die Koalition nur noch einen desolaten Eindruck vermittelt.

All das wurde von allen Beteiligten umgehend zurückgewiesen. Aber das spielt ja schon keine Rolle mehr: Der Neustart der Großen Koalition mit dem Arbeitsprogramm für die verbleibenden Monate muss längst als gescheitert rüberkommen. Zunächst weigert sich der Innenminister, es mitzutragen, dann liefert er einen nicht abgesprochenen Vorstoß zur Versammlungsfreiheit, zwischendurch läuft eine rot-schwarze Kruzifix- und schließlich auch noch eine Personaldebatte. Da ist es schon uninteressant, was stimmt und was nicht stimmt. Entscheidend ist, dass die Koalition nur noch einen desolaten Eindruck macht. Das ist es, was zählt.

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Am ehesten davon profitieren können nur zwei: FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der den Unmut über diese Verhältnisse einsammelt. Und Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP): Der Mann versteht es hervorragend, sich aus den Koalitionsproblemen herauszuhalten. Damit kann er sein Geschick ausspielen, Probleme so zu kommentieren, wie es relativ vielen Österreichern gefällt und sich nebenbei ÖVP-intern als der zunehmend unbestrittene Spitzenkandidat für die Nationalratswahlen in Stellung bringen; als unverbrauchte, aber überzeugende Alternative quasi.

 

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