Blau-schwarze Koalitionsverhandlungen

ANALYSE. Die gute Stimmung bei den Gesprächen kann nicht darüber hinwegtäuschen: Den Takt gibt der FPÖ-Chef vor. Und zwar mit Erfolg. 

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ANALYSE. Die gute Stimmung bei den Gesprächen kann nicht darüber hinwegtäuschen: Den Takt gibt der FPÖ-Chef vor. Und zwar mit Erfolg.

Man habe bewusst mit der Budgetsituation begonnen, ließ ÖVP-Chef Sebastian Kurz an der Seite von FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache auf der jüngsten Pressekonferenz zu den Koalitionsverhandlungen wissen. Das sei das Basis. Und die schaue so aus: Auf den ersten Blick sei die finanzielle Lage recht gut. Bei genauerer Betrachtung habe sich jedoch gezeigt, „dass wir vor großen Herausforderungen stehen“.

Was sich da so selbstverständlich liest bzw. anhört, ist ein ziemlicher Hammer und kann nur so verstanden werden: Sebastian Kurz tut weiterhin so, als habe er mit der Bundespolitik bisher nichts zu tun gehabt. Und das ist bemerkenswert: Kurz selbst gehört seit sechs Jahren der Regierung an; in diversen Ministerräten, bei denen er anwesend und das ein Thema war, sollte er Informationen über die Budgetlage zumindest aufgeschnappt haben. Er ist Chef einer Partei, die seit 15 Jahren den Finanzminister stellt. Und der amtierende, Hans Jörg Schelling, ist unter seiner Führung nicht in ganz in Ungnade gefallen, sondern bei der Nationalratswahl immerhin auf einem sicheren Listenplatz gelandet. Und überhaupt: Man muss sich allmählich fragen, auf welcher Basis er sein Wahlprogramm mit milliardenschweren Entlastungsversprechen erstellt hat? Er selbst hat immer wieder davon gesprochen, dass Experten mitgearbeitet hätten.

Doch zurück zu den Koalitionsverhandlungen: Alles in allem sollte Kurz ziemlich genau wissen, wie es um das Budget bestellt ist. Und bei allfälligen Fragen sollte er sich direkt zu Schelling durchstellen lassen können, um eine schnelle Antwort zu bekommen.

Warum verzichtet er darauf? Warum gibt er sich diese Blöße? Erstens, es ist eben Teil seiner Show, einen Neuanfang zu inszenieren. Zweitens, er wird im Übrigen von seinem Verhandlungspartner dazu gezwungen; der FPÖ von Heinz-Christian Strache nämlich.

Mit Fortdauer der Verhandlungen tut sich für Kurz auch noch in der eigenen Partei ein Konflikt nach dem anderen auf. 

Die Freiheitlichen befinden sich zum Leidwesen von Kurz in einer ausgesprochen komfortablen Position: Kurz hat die SPÖ bereits in die Opposition verabschiedet. Jetzt ist er von ihnen abhängig; es kann nur noch Schwarz-Blau geben. Und zumal die Freiheitlichen mit ihren 26 Prozent neuerdings wirklich zu den Mittelparteien gehören, muss er ihnen auf Augenhöhe begegnen.

Worauf sie auch aus nachvollziehbaren Gründen größten Wert legen: Strache und seine Leute haben keine Regierungserfahrung. Ihnen fehlt es auch an Informationen. Das ist ein echtes Problem, das man kaum überschätzen kann. Also fordern sie Kurz und seine Riege entsprechend, also geben sie den Takt vor.

Für den ÖVP-Chef ist das nicht lustig: Mit Fortdauer der Verhandlungen tut sich auch in seiner Partei ein Konflikt nach dem anderen auf. Zuerst kann er die wesentliche Frage, wer denn Nationalratspräsident werden soll, nicht schnell lösen; sie hängt schließlich auch damit zusammen, wer in die Regierung kommt. Dann werden via „Kurier“ Vorbehalte gegen den einstigen logischen Finanzministerkandidaten Josef Moser ventiliert; der Ex-Rechnungshofpräsident hat sich schließlich immer wieder als Länderkritiker hervorgetan, was in der föderalistischen Partei, die die neue, alte ÖVP letzten Endes auch unter Kurz noch immer ist, nicht gut ankommt. Im Gegenteil.

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